Journalist der Zukunft

Ich hätte eine kleine Bitte. Ich wurde eingeladen, in einem neu erscheinenden Jahrbuch eine Geschichte über den Journalisten der Zukunft (Journalismus 2.0, wenn ihr so wollt) zu schreiben. Untenstehend findet ihr den Artikel. Was denkt ihr darüber? Wohin entwickelt sich Journalismus.

Bin auf Eure Meinung gespannt. Nutzt dazu die Kommentarfunktion oder schreibt mir ein eMail. Danke.

Der Journalist im Wandel
Die Welt ist digital geworden und dreht sich schneller denn je. Dem muss auch der Journalismus Rechnung tragen.

Keine Branche hat sich durch die Digitalisierung mehr verändert, als die der Medien. Zeitungen spüren bereits, dass mehr und mehr Geld und Aufmerksamkeit in Online-Medien geht. Ein Podcast, der keinen Cent an Produktionskosten verschlingt, kann heute Radiostationen Konkurrenz machen. Selbst das Fernsehen spürt den Wettbewerb durch Hobby-Regisseure, deren Videos im Web oft millionenfach angesehen werden.

Die Zahl an Talenten, die Medien zum Nulltarif machen, ist undendlich. Die Aufmerksamkeit der tatsächlichen Medienkonsumenten dagegen enden wollend. Die Grenzen zwischen Mediennutzern und -produzenten verschwinden zusehends. Es kommt zu einem Rennen um Augäpfel, das letztlich auch zu einer Neudefinition von Journalismus führen wird. Weiter alten Denkmustern zu folgen und den Wandel zu verdrängen, führt zu ernsthaften Problemen.

Auf Augenhöhe
Diese Neudefinition des Berufsbildes beginnt im Akzeptieren, dass Konkurrenz auf gleicher Augenhöhe entsteht. Auch wenn es dem einen oder anderen Autor eines Weblogs an handwerklichen Fähigkeiten fehlt, arrogantes Herabblicken auf vermeintlich exhibitionistische Online-Tagebücher ist fatal. Man merkt den Inhalten vieler so genannter Bürgermedien an, dass sie mit Leidenschaft und enormen Fachwissen gemacht sind und genau das macht sie interessant und attraktiv. Publiziert wird zu jedem nur denkbaren Thema und von Leuten, die sich im jeweiligen Fachgebiet auskennen und über Hintergründe Bescheid wissen – von der Politik über Technik bis hin zur Bienenzüchterei.

Journalisten tun gut daran, dieses unendliche Wissen einer publizierenden Masse nutzbar zu machen. Abseits von Agenturen entsteht ein unendlich großer Pool an Inhalten, der gehoben werden muss. Neue und präzisere Suchtechniken werden zur kritischen Wettbewerbsgröße für die schreibende Zunft. Und dann gibt es noch den Faktor Zeit: Agenturen schreiben oft zwei Tage hinterher – oft genug zeigt sich, dass die Stories von übermorgen bereits seit gestern im Web stehen.

Noch sind Weblogs ein marginales Phänomen. Sie decken zwar immer öfter Missstände und Skandale auf, der Transport zu den Massen erfolgt aber immer noch über traditionelle Medien. Hier bedarf es eines partnerschaftlichen Umgangs von Profi- und Bürger-Journalisten. Der Schöpfer einer „Breaking News“ will auch als solcher anerkannt werden.

Millionen Chefredakteure
Die Medienlandschaft wird immer breiter und gleichzeitig spezialisierter, der Medienkonsument immer selektiver. Durch Abo-Mechanismen wie RSS ist es ihm möglich, sich einmal eine maßgeschneiderte Online-Zeitung zusammen zu klicken, die sich fortan in Echtzeit und auch noch kostenlos füllt.

Nutzer schlüpfen gleichzeitig in die Rolle des Chefredakteurs und gewichten ihre Nachrichten selbst. Auf so genannten „Social News“-Websites tragen sie Meldungen zusammen, bewerten und kommentieren diese. Gefällt einem Leser etwas, kann er dies mit einem simplen Klick vermerken. Je mehr Leser eine Nachricht in einer bestimmten Zeit als gut bewerten, desto besser und relevanter ist sie offensichtlich. Irrelevantes oder schlecht Recherchiertes kommt gar nicht erst nach oben – eine Feedback-Schleife, wie sie ein traditionelles Medium nie haben kann.

Multimedial ohne Helmkamera
An den grundsätzlichen Fähigkeiten von Journalisten darf nicht gerüttelt werden: Ein gepflegtes Beziehungsgeflecht von Informanten (online wie offline) ist weiterhin genauso wichtig wie mit Sprache umzugehen, die Fähigkeit, seine Quellen kritisch zu hinterfragen bedeutender denn je.

In einer immer multimedialeren Welt muss ein Redakteur aber auch firm für andere Medien werden, seine Fähigkeiten müssen über das Tippen von Text und die Bildauswahl hinaus gehen. Das bedeutet nicht, dass Zeitungsredakteure plötzlich mit Helmkamera und Mikrofon zu Pressekonferenzen gehen müssen. Aber ein Verständnis dafür, wie andere Medienformen funktionieren und wie diese im Verbund mit dem eigenen Medium interagieren können, ist unumgänglich.

Es sind die Ergänzungen zum eigentlichen Programm, die den Vorsprung zur Konkurrenz sichern. Der Audio-Mitschnitt eines Interviews als Podcast verstärkt dessen Authentizität, eine Grafik visualisiert Komplexes besser als 1000 gedruckte Zeichen und ein Video verdeutlicht komplizierte Technik besser als alles andere.

Weil die Umwelt nicht gerade einfacher wird, ist ein neuer Typ von Journalist gefragt: Nur wer sich in einem Bereich wirklich auskennt, kann den meisten (aber niemals allen) seiner Leser oder Zuhörer einen Tick voraus sein und ihnen die gefragten Antworten geben. Möglichst umfassendes Wissen in seinem Spezialgebiet gepaart mit multimedialen Fähigkeiten zeichnen das Berufsbild in der Zukunft aus – es sei denn, man geht schon sehr bald in Pension.

1 Kommentar
  1. Martin Bredl
    Martin Bredl sagte:

    Als Pressesprecher, der die Medien ja von der anderen Seite sieht ist die Versuchung schon groß zu glauben, dass wir in einer Web 2.0 Welt ohne dem Gatekeeper „Journalist“ auskommen könnten. Es passiert ja manchmal wirklich, dass wir in die Pfanne gehaut werden. Selbst wenn es zu recht passiert urteilen wir darüber anders. Also würden wir uns die Geschichten am liebsten selber schreiben. Dass das aufgrund des mangelndes Vertrauens niemand lesen würde liegt auf der Hand.
    Das ist aber die Kernfrage: Wem vertraue ich in Zukunft mehr, einem pofessionellem Journalisten, der von diesem Beruf leben muss oder einem Blogger, der sich in der Szene einen Namen gemacht hat?
    Das Medium werden beide beherrschen. Das war bisher nicht so. Wenige herrschten über die Medien.
    Ein Satelliten-Kanal, nur die Miete für den Upstream, kostete vor nicht allzu langer Zeit 150.000 USD pro Monat. Das Programm? Eine Zeitung?

    Über das Medium kann heute jeder herrschen, die neue Währung wird aber Vertrauen. Warum soll ich jemand vertrauen, der kein wirtchaftliches Risiko eingeht, wenn er etwas behauptet?

    Was kostet die Welt?

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