Bloggte Obama selbst?

Im WebSpezial (poste gleich die aktuelle Ausgabe) gibt es immer eine Rubrik „Von Blogger zu Blogger“. Eines der Themen im Heft war der vergangene US-Wahlkampf und wie Barack Obama das Web für seine Kampagne genutzt hat. Wen befragt man dazu? Natürlich den Ober-Polit-Web-Analysten Max Kossatz (Blog wissenbelastet.com, Twitter, Facebook). Der verrät auch, wie Web-fit unsere Politiker in Europa sind.

(c) kossatz

Abgesehen vom fehlenden Charisma heimischer Politiker: Hat der US-Wahlkampf Vorbildwirkung für Österreich?
MAX KOSSATZ: Der US-Wahlkampf zeigt, dass eine konsequente Nutzung des Internet es auch unbekannten Personen (Obama war bis vor zwei Jahr ein Außenseiter und weitgehend unbekannt) ermöglicht, Vertrauen zu Wählern aufzubauen.
Obwohl beide Kandidaten kein wirkliches Konzept zur Lösung der Finanzkrise haben, trauen sie Obama mehr. Weil sie ihm über das Internet „näher“ waren und ihn besser kannten, trauten sie ihm eher zu, diese Krise zu bewältigen, als McCain. Deswegen behaupte ich, dass dieser Wahlkampf im Internet entschieden wurde. Auch wird er noch lange weltweit als Vorbild dienen, was sicherlich zu einigen sehr eigenartigen Ergebnissen führen wird, da die USA nicht so leicht mit anderen Ländern und anderen Wahlen vergleichbar sind. Aber vieles kann man aus dem Obama-Wahlkampf lernen, am wichtigsten: Man muss jetzt anfangen das Internet zu nutzen um in ein paar Jahren Wahlen zu gewinnen, nicht erst zehn Wochen davor!

War es für Barack Obama eher Wahlwerbung oder dienten seine Aktivitäten der Themenfindung und der Bindung einer Stammwählerschaft?
KOSSATZ: Studien zeigen, dass sich knapp 59 Prozent der US-Amerikaner im Internet über den Wahlkampf informiert haben. Die Wähler, die sich etwa Videos zum Wahlkampf auf YouTube ansahen, fühlten sich weitaus näher (plus 100 Prozent) der Politik/den Themen und wollen sich auch in Zukunft mehr für Politik interessieren und engagieren.
Obama hat auch durch seine Vernetzung in den verschiedensten Plattformen (Twitter, Facebook, MySpace, eigene Homepage, etc.) die Möglichkeit sehr einfach fast sechs Millionen Menschen (fast ein Zehntel seiner Wähler!) zu erreichen. Das ist ein sehr tolles Lobbying-Instrument und wird noch in Zukunft eine große Rolle spielen. Deswegen – und ganz im Gegensatz zu dem Web2.0-Wahlkampf in Österreich – ist Obamas Team weiterhin im Internet aktiv, denn so eine „Macht“ muss natürlich gepflegt werden.

Ohne TV-Spots und Medienpräsenz kann man selbst in den USA nicht gewinnen. Welchen Anteil hatte das Web 2.0 an seinem Erfolg?
KOSSATZ: Hier fällt mir immer wieder der Vergleich zu einem Fussballspiel ein: 30.000 Personen passen in das Stadion – die sind wichtig für die Stimmung und für schöne Bilder. Aber das Geld wird mit den Fernsehrechten verdient.
Umgelegt auf den Wahlkampf in den USA heißt das: Die Debatten im Fernsehen wurden von ein paar Millionen Menschen gesehen. Aber wichtiger war die anschließende Diskussion darüber, so wurden einzelne Ausschnitte (10-20 Sekunden) der Debatten auf YouTube über eine Million Mal abgerufen.
Auch hat Obamas Team in zwei Jahren über 1800 Videos auf YouTube gestellt, alleine sein YouTube-Profil wurde 19 Millionen Mal abgerufen, der 30-minütige Spot auf allen Kanälen in den USA hatte dagegen nur knapp acht Millionen Zuseher. Alle Videos im Internet zu Obama (rund 100.000, d.h. 98.000 waren nicht von Obama selbst) wurden insgesamt rund 900 Millionen Mal abgerufen (bei schließlich rund 120 Millionen Wählern), die von McCain rund 500 Millionen Mal. Das heißt das Fernsehen nimmt die Position des Stadions ein und die Wählern gewinne ich dann im Internet.

War Obama selbst am Werk oder lies er bloggen oder twittern?
KOSSATZ: Obama hat von Anfang an (mit ein paar Ausnahmen) andere für sich arbeiten lassen. Er hat nicht krampfhaft versucht, (wie in Österreich) so zu tun als ob er das selber macht und hat es aber trotzdem geschafft, dass es nicht wie Werbung gewirkt hat. Hier ist sicherlich die Mischung wichtig.

Was schätzt du: Wie viele Mitarbeiter sind nötig, um 50.000+ Fotos auf Flickr zu stellen, mehr als 1800 Videos auf YouTube zu posten und all die Social Networks zu warten?
KOSSATZ: Schwer zu sagen und zu vergleichen, Amerika ist da anders. Dort gibt es Hunderttausende freiwillige Helfer im Wahlkampf – etwas, das in Österreich nicht vorstellbar ist. Auch sind die Amerikaner weitaus kommunikativer. Aber es schaffen „ein Personen-Unternehmen“ 2000-3000 Follower auf Twitter zu haben, das wäre umgerechnet auf Österreich die Größenordnung die Obama in den USA hat (rund 130.000 Follower).
Wichtig ist hier die Strategie, dann braucht es auch nicht viele Mitarbeiter.

Wie authentisch war die Sache?
KOSSATZ: Obamas Team hat es geschafft, zu verstehen, um was es da geht. Damit hatten sie einen großen Vorsprung gegenüber anderen.
Auch hier wieder ein Vergleich, um vielleicht zu erklären, was im Web2.0 wichtig ist: Angenommen Sie sind bei einem ihrer besten Freunde zum Essen eingeladen. Sie kommen dort hin und treffen dort auf Freunde ihres Freundes die sie noch nie gesehen haben.  Diese Personen haben zwar wahrscheinlich ein überschneidendes Mindset (z. B. Hobbies, Beruf oder politische Einstellung), aber mehr wissen sie nicht. Normalerweise werden sie es aber schaffen, diesen Abend angenehm zu verbringen, auch wenn am Tisch Personen sitzen, die sie nachher möglicherweise nicht wieder sehen wollen. Auch werden Sie sicher nicht beim Essen versuchen, den Freunden ihres Freundes etwas zu verkaufen.
So ähnlich ist es im Web2.0: Da treffen Sie genau auf solche, Ihnen unbekannte, aber doch irgendwie nahe Personen. Wenn Sie es im Web2.0 auch schaffen mit diesen einen „angenehmen Abend“ zu verbringen, haben sie gute Chancen, erfolgreich zu sein.
Das bedeutet für Politiker ein Umdenken, das reine wiederholen von Floskeln hilft hier nichts. Hier ist Diskussion gefragt und das ohne dem Puffer Zeitungen, Fernsehen, usw. Das wirft natürlich Probleme auf, denn „on the Internet nobody knows that you are a dog“ (ein wunderschöner Cartoon) wobei man „dog“ auch durch „Politiker“ ersetzen kann. Obama versteht das sehr gut und hat ein „Gspür“ für die Mischung.

Wie glaubwürdig ist die Politik, wenn gleich nach dem Urnengang mit den Web-Aktivitäten aufgehört wird?
KOSSATZ: Das ist ein großes Problem und zeigt das Mißverständnis der Politik vom Internet. Spannend dazu die Antwort eines SPD-Poltikers im Deutschen Fernsehen während der US-Wahlnacht. Er wurde gefragt, welche Rolle das Internet im kommenden deutschen Wahlkampf haben werde. Seine Antwort: „Bis dahin wird wohl jeder Politiker eine Homepage haben müssen, spätestens 2013“.
Das ist natürlich die falsche Einstellung. Auch sieht man das in Österreich nach dem 28. September (fast) alle Aktivitäten im Web2.9 wieder eingestellt wurden (mit Ausnahme der Politiker und Parteien, die schon seit Jahren im Web2.0 aktiv sind). Hier liegen wohl Österreich (bzw. Teile Europas) rund vier Jahre hinter den USA.
Kleines Beispiel: bis 28. September hat Herr Molterer überall seine Homepage und seine E-Mail-Adresse plakatiert. Wenn man jetzt auf der Parlament-Seite (für mich DIE Ansprechstation um unsere 183, in ihrer Entscheidung unabhängigen, Parlamentarier zu kontaktieren) seine Kontaktadresse sucht, findet man nur noch die E-Mail-Adresse seiner Sekretärin. Das kann es doch nicht sein, oder? Unabhängig davon, wer jetzt die E-Mail beantwortet, will ich doch wenigstens das Gefühl haben, dass sie direkt an die für mich im Parlament sitzende Person geht. Wer wirklich glaubt, dass die Wähler das nicht merken, wird wohl bald das nachsehen haben.

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