Beiträge

Medien: Transparenz ist die neue Objektivität

Medien fordern zu Recht von der Politik Transparenz und legen manchmal nicht einmal ihre Eigentumsverhältnisse offen. Wie weit die Transparenz bei manchen Medien gehen kann, beweist der Guardian ab jetzt.

Es war im Jänner 2000, als ich den Journalismus für mich entdeckte und im Wirtschaftsressort der Kleinen Zeitung anfing. Eine der ersten Dinge, die mir gesagt wurden: „Worüber in der Redaktion gesprochen wird, ist Geheimsache. Was morgen in der Zeitung steht, ist absolut vertraulich.“

An diesem Prinzip rütteln nicht nur die Online-Ausgaben der Zeitungen sowie Facebook oder Twitter heftig. Die Geheimniskrämerei wird sich ändern (müssen), Transparenz wird sogar bei den „Themen für morgen“ zum Alltag. Den Anfang machen der britische Guardian und die schwedische Zeitung Norran. Transparenz zum Selbstzweck bringt aber auch nichts. Warum machen das die beiden Zeitungen?

Erfahrung mit Transparenz in Schweden

Norran begann bereits 2009 damit, die tägliche Themenliste unmittelbar nach der Redaktionskonferenz mitsamt dem Sitzungsprotokoll online zu stellen. Tagsüber können sich Leser einbringen, die Themen im Chat diskutieren, Fragen dazu stellen und Tipps zur Recherche geben.

Für Norran-Chefredakteurin Anette Novak war das Experiment extrem erfolgreich: Man hätte so die Marke durch die Einbeziehung von Lesern stärken können. „Transparenz ist die neue Objektivität“, meinte sie im Juni in einem Interview mit dem Blog von Journalism.co.uk.

Montag startet der Guardian

Heute, Montag, öffnet der britische Guardian seine „Newslist“. In einem Versuch, ermöglicht der Guardian seinen Lesern – über die „Newslist“ und Twitter (Hashtag #OpenNews) – Kontakt zu den Journalisten, die an bestimmten Themen arbeiten. Anfangs sind die Ressorts Nationales, Internationales und Wirtschaft dabei. Exklusive Geschichten will auch der Guardian ebenso bis zum Druck geheim halten wie sensible Stories, die besonderen Schutz bedürfen.

Beim Guardian erhofft man sich Hilfe bei der Recherche sowie Ideen für Fragen bei Interviews. Es gäbe auch viele Experten, die ständig Berichte kritisieren würden. Nun könnten diese sich schon vorab einbringen.

Außerdem würde die Recherche solchermaßen selbst zur Nachricht werden. Die meistgeklickten Seiten wären beim Online-Guardian derzeit schon Liveblogs von Breaking-Events. Dabei  käme es nicht selten vor, dass in „brutaler Offenheit“ geschildert werde, was der bearbeitende Journalist noch nicht weiß oder ihn brennend interessieren würde.

Laut Dan Roberts vom Guardian sei die Recherche einer der interessantesten Teile der Arbeit des Journalisten und die sollte man nicht vor Lesern verstecken. Und in Zeiten, wo Journalisten ohnehin ein schlechtes Image hätten (Stichwort: Abhöraffäre von News of the World), sei Transparenz das beste Rezept zur Trendumkehr.

Transparenzprobleme

In Österreich ist das grundsätzlich auch nicht neu: Armin Wolf fragt seine Follower auf Twitter hin und wieder nach Fragen an seine Studiogäste. Allerdings ist Wolf damit die löblich Ausnahme unter den Austro-Journalisten. Die meisten würden soziale Medien und Netzwerke als reinen Broadcast-Kanal ohne jegliche Interaktion missverstehen. Wikis oder Etherpad sind leider für die meisten höchstens Fremdwörter.

Beim Guardian ist die Sache als temporärer Versuch angelegt. Sobald man bemerkt, zu viele Geheimnisse an Wettbewerber preiszugeben und bei Lesern auf taube Ohren zu stoßen, will man umgehend „die Stecker ziehen“. Man will auch genau darauf achten, dass Zwischenrufe von PR-Agenturen eine Geschichte nicht in die eine oder andere Richtung manipulieren können.

In Österreich kommen tausende weitere Probleme dazu: die Kommentartrolle auf den Zeitungs-Websites. Vielfach im Schlepptau politischer Parteien, kann man sich oft nur wundern, was durch sie so alles abgesondert wird. Da helfen auch Benimmregeln für respektvollen Umgang wie hier bei Narran vermutlich wenig.

Und dann gibt es noch (die mit Sicherheit auftauchenden) Drohungen alpenländischer Politiker, die mit dem Entzug von Regierungsinseraten versuchen werden, Geschichten aus dem Blatt hinaus- und hineinreklamieren würden.

Zattoo: "Keine Pläne für Österreich"

Vor nun fast vier Jahren hab ich hier geschrieben:
„Zattoo kommt im Juni“. Seit 2007 ist eine ganze Weile vergangen und das Schweizer Start-up Zattoo immer noch nicht in Österreich angekommen.

Hierzulande werden wir auf den Web-TV-Dienst mit 211 Sendern und jüngst hinzugekommenem Archiv für 30 Tage zurück weiter verzichten müssen. Vergangene Woche habe ich einmal nachgefragt, wann und ob in Österreich mit einem Start zu rechnen sei. Die Antwort war ernüchternd:

Vielen Dank für Ihre Anfrage an Zattoo bezüglich eines möglichen Starts in Österreich. Derzeit ist Österreich bei uns nicht im Fokus bei einer weiteren Expansion von Zattoo. Dies liegt zunächst daran, dass die Kosten für eine Expansion nach Österreich -“ im Verglich zu anderen Ländern – eher teuer sind und die Refinanzierung schwierig wäre.

Auf gut Deutsch: Es wird behauptet, Österreich sei zu klein und nicht lohnend. Schade, Zattoo finde ich toll.

ORF-Auffälligkeit

Irgendwie ist es schon eigenartig: Im Inland braucht man für ORF eine (gerade geknackte) Cryptoworks-Karte. Im Ausland kann man’s frei übers Web anschauen? Gab es da nicht einmal das Argument, dass mit den Sat-Karten gerade die Ausstrahlung im Ausland verhindert werden soll?

Warum das interessant ist? Weil mir mehrmals gesagt wurde, der ORF würde dabei mauern und versuche alles, um Zattoo hierzulande vzu erhindern. Dessen Online-Chef, Thomas Prantner, hat dies in diesem Blog zwar in Abrede gestellt. Aber wer weiß … ?

Screencast: Der Feidl, mein Sack und Facebook

Der Spiegel prangerte unlängst „Facebook & Co.“ als „Die Unersättlichen“ an, wenn es um Datenschutz geht. Der deutsche Blogger Richard Gutjahr empfand das als „Doppelmoral“ und prangerte den Spiegel selbst als Datenkrake an.

Auch heute liest man allerorts im Web davon, wie böse Facebook doch wieder ist: Facebook öffnet Zugang zu Nummern und Adressen titelte die Süddeutsche Zeitung. In der Presse heißt es Facebook-Apps dürfen auf Handynummer zugreifen. Die Schweizer 20 Minuten meinen: Was Werber freut, könnte Nutzer verärgern. Facebook öffnet Zugang zu sensiblen Daten der Nutzer, heißt es am Teletarif-Blog. Und meine Kollegen der Kleinen Zeitung schreiben: Facebook will Telefonnummern und Adressen weitergeben.

Einzig die Financial Times erwähnt prominenter im Lead: Mit Zustimmung des Nutzers.

Hauptsache: Netzangst schüren.

Da geht mir der sprichwörtliche Feidl im Sack auf! Ob bewusst oder unbewusst – allenorts wird wieder die Angst vor dem bösen Internet geschürt. Hauptsache, es gibt wieder eine tolle Schlagzeile, die Klicks und Leser bringt.

Sollte man das ignorieren? Nein. Aber würde die gleiche Zeit dafür aufgewendet, Leser etwas beizubringen und sie für Datenschutz zu sensibilisieren, wäre allen weit mehr geholfen, als mit einer fetzigen Schlagzeile. Und würde man überall die gleichen Maßstäbe anlegen, würden einige wohl alt und Facebook „reinweiß“ (Copyright KHG) aussehen.

Worum es geht und die Privatsphäre-Einstellungen bei Facebook

Aufgenommen in 1280 x 720. Hier geht’s zum Video auf YouTube in HD-Auflösung.

Fazit

  1. Medien sollten mehr User-Education und weniger Polemik betreiben.
  2. Facebook hat sehr umfangreiche Privatsphäre-Einstellungen, die zudem auch sehr einfach sind. Ein Klick auf „Nur Freunde“ reicht für die allermeisten, um relativ sicher zu sein. Was man Facebook allerdings vorwerfen muss, ist dass einige Standardeinstellungen für den einen oder anderen zu freizügig sind.
  3. Wer sich über Facebook aufregt, darf auch nirgends seine Daten angeben. Auch nicht bei Herold, auch nicht bei der BiPa-Kassa, wenn die Verkäuferin eine Kundenkarte anbietet.
  4. Wenn schon hohe Ansprüche gestellt werden, dann bitte an alle und auch an sich selbst.
  5. Wer das hier nicht lesen kann oder vielmehr es nicht will, braucht sich nicht wundern oder gar aufregen. Habe nur einen englischen Screenshot gefunden, fand noch keine Facebook-App, die meine Daten sammeln wollte.

Danke!

Digirati

Nennen wir das Kind beim Namen: Mein – vor ein paar Tagen angekündigtes – Medienprojekt heißt Digirati.

Am 4. Jänner erscheint es zum ersten Mal. Das „Zustellwerkzeug“ ist WordPress, www.digirati.eu die Adresse. Die Behübschung erfolgt zwischen den Weihnachtsfeiertagen.

Die Facebook-Fanpage ist live – 100 Fans in rund zwei Stunden sind ein Wahnsinn. Danke!

Und einen ersten Entwurf für ein Logo gibt es auch schon:

digirati

Zehn Jahre sind genug!

Dies hier ist ein öffentliches Posting, in dem ich von ALLEN Presseverteilern dieser Welt gelöscht werden will. Ein Link zu diesem Blogpost geht als Auto-Reply an alle, die mir künftig Presseaussendungen zukommen lassen.

(c) iStockPhoto/TommL

Dies gilt übrigens auch von Verteilern für meinen Schwerpunktbereich — der Technik. Warum?

  • Weil ich 90 Prozent davon als Spam und höchstens zwei Prozent als echte Information ansehe. Die restlichen paar Prozent sind Einladungen zu irgendwelchen Presse-Konferenzen, die ich ohnehin nicht besuche, weil alle in Wien stattfinden.
  • Was in meiner Inbox landet, ist also größtenteils Werbung, die ich ohne Gegenleistung konsumieren muss. Im Gegenteil: Das Sichten, Löschen und/oder Archivieren von bis zu 100+ Mails am Tag kostet mir enorm viel Arbeitszeit. Wer partout Werbeeinschaltungen in meiner Inbox platzieren will, soll dafür bezahlen. Hier meine Kontaktdaten.
  • Weil der Sinn von Presseaussendungen ohnhin nur in der Behübschung der Welt zu sein scheint. Man darf PR-Firmen gar keinen Vorwurf machen, allzu oft die Wahrheit zu vertuschen zu wollen – das ist schlichtweg ihr Business.
  • Weil in zehn Jahren etwa ebenso viele wertvolle, für die Arbeit unverzichtliche, wichtige Presseaussendungen gekommen sind.
  • Weil Nachrichten heute ohnehin zu mir kommen – so sie denn wichtig sind. Und selbst die wenigen relevanteren Presseaussendungen kommen nicht „in time“. Wer in Wien Freunde hat, bekommt die wirklichen Geschichten schon vorher gesteckt. In der Provinz hilft es dann auch nichts, die Presseaussendung zur gleichen Zeit zu bekommen, wie das gedruckte Printwerk der Konkurrenz.

Bin ich für die PR unerreichbar?

Natürlich nicht, schließlich brauche ich ja hin und wieder etwas von so manchen Firmen/Pressestellen/Agenturen. Interview-Termine, Pressefotos, Testgeräte etc. Und genau so, wie ich PR-Treibende weiter kontaktieren werden, können sie mich auch kontaktieren: @georgholzer auf Twitter, +43-676-5332905 ist meine Nummer und meine E-Mail-Adresse kennen Sie ja 🙂

Aber ich will KEINE Presseaussendungen mehr über irgendwelche Verteiler erhalten! Bitte um Verständnis.

Was wird passieren?

Wie eingangs erwähnt, enthalten Presseaussendungen ohnehin nur in ganz seltenen Ausnahmen echte News. Einige enthalten jedoch oft Fakten und sind zur Referenz nicht uninteressant. Aber: Für die wirklich wichtigen Fälle gibt es immer Originalquellen im Netz. Unternehmen, die keine gut gepflegte Presse-Website (mit Bildmaterial, Kontaktangaben und RSS-Feeds) haben, sollten sich darüber ohnehin Gedanken machen.

Ich werde verstärkt nach interessanten Twitter-Quellen suchen und vielleicht meine RSS-Feeds etwas umsortieren. Aber versäumen . . . versäumen werde ich sicher nichts!

Ich werde ganz wenige Dinge versäumen, aber sicher nichts wirklich wichtiges. Dafür werde ich unendlich mehr Zeit für die eigentliche Recherche haben.

Wer ist Schuld daran?

Gute PR-Firmen haben zumindest einen Unsubscribe-Link. Gute PR-Firmen schicken nicht alles an jedem (, nur weil sie pro Presseaussendung kassieren können). Gute PR-Firmen bombardieren mich nicht mit Kindernahrung, Schigebieten, Igloos in den Alpen oder irgendwelchen Buzzwords aus der “Web 2.0-Unternehmenswelt”, die sie selbst nicht verstehen.

Die Lehren daraus?

Ich hoffe, dass sich möglichst viele Journalisten dem anschließen (realistischerweise werden es drei oder vier sein). Es ist an der Zeit, dass Institutionen wie der PRVA zu einem Gütesiegel oder weiß ich was durchringen müssen, in denen gewisse Regeln eingeführt werden, wie man E-Mails einsetzt. Es kann nicht sein, dass Journalisten nur aufgrund ihrer Funktion zum Ziel von legalen Spam-Attacken werden!

Es muss Verpflichtungen geben, zu segmentieren: Wer betreut welches Ressort? Wem sollte man ein Themengebiet überhaupt nicht zukommen lassen?

Zumindest ein Unsubscribe-Link sollte PFLICHT SEIN! Ich habe gerade nachgeschaut — seit meinem Blogbeitrag vom 3. September 2008 (!?!) hat sich nichts bis gar nichts getan.

Einer von 100 mit Mission

Da hab ich ganz schön gestaunt, als mir einige Bekannte vor ein paar Tagen aus heiterem Himmel gratulierten. Eine Zeitschrift namens TheGAP (von der ich bis dahin weder gehört noch gelesen habe) hätte mich zu einem der 100 wichtigsten Österreicher gewählt? Mich?

Stellt sich heraus, ich wäre eine derjenigen, die Österreich in der einen oder anderen Art und Weise in den nächsten Jahren prägen sollen. Zumindest meint das die Redaktion von TheGAP. Hier geht’s zur kompletten Liste der 100. Mich findet man unter „Politik und Gesellschaft” (doofes Foto, I know).

Danke! Wenn es meiner ganz persönlichen Mission hilft — umso lieber.

Ich würde mir wünschen, Österreich (und speziell Kärnten) mit Hilfe der Technik zu ein wenig mehr Offenheit in Gesellschaft und Politik zu führen. Thanks!

Ein genialer Marketing-Coup

Medien sind unter Druck. Den Tageszeitungen scheint nicht nur die Wirtschaftskrise zunehmend weh zu tun, sondern auch Content-Piraten. Richtig gehört: Leute, die etwas in einer Zeitung oder News-Website lesen und diese Inhalte dann stehlen.

Dass hier „akuter Handlungsbedarf seitens der Politik“ besteht, hat nun auch der Verband Österreichischer Zeitungsverleger (VÖZ) endlich erkannt!

Es geht darum, dass Inhalte, die von den Medienhäusern verlegerischer Herkunft auf ihren unterschiedlichen Plattformen angeboten werden, vor einer genehmigungslosen Nutzung, welche über die im Urheberrecht klar geregelte Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch von Privatpersonen hinausgeht, zu schützen.

Absolut! Gerade weil bisher schon klar ist, was über eine „geregelte Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch von Privatpersonen“ hinaus geht, brauchen die Verlage neue Regeln.

(cc) ibcbulk

Und weiter geht’s!

Es muss deutlich gemacht werden, dass jede Vervielfältigung oder Verbreitung solcher Inhalte im unmittelbaren bzw. mittelbaren kommerziellen Zusammenhang rechtliche Konsequenzen nach sich zieht.

Warum? Weil es jetzt klarerweise niemandem bekannt ist, dass man Inhalte zur kommerziellen Verwendung nicht stehlen darf.

Der böse Content-Dieb wurde auch schon lokalisiert. Er sitzt natürlich im Internet! Und gegen das böse Internet lässt sich natürlich etwas unternehmen. Eine der drei Forderungen des VÖZ an die Politik lautet daher:

Essenziell ist die gesetzliche Normierung einer klaren Verpflichtung der Internetzugangs-Provider zur zeitlich befristeten Speicherung von Nutzerdaten (Zuordnung von IP-Adressen) und zu deren Herausgabe an den Verletzten bei urheberrechtsverletzender Content-Nutzung. Datenschutz darf nicht als Deckmantel für Rechtsverletzungen missbraucht werden.

Im Ernst?

  • Der Besuch einer News-Website heißt nicht zwangsläufig dass dort Inhalte geklaut werden. Was wollt ihr damit beweisen? Und vor allem: wie?
  • Der Besuch einer Website mit irgendwelchen News ist längst nicht erforderlich, um Inhalte derselben zu klauen. Leute, es gibt RSS-Feeds und aus JEDER Site (auch solcher mit kastrierten Feeds) kann man Volltext-Feeds machen.
  • Jede zusätzliche Beschneidung der Privatsphäre schränkt auch die Möglichkeiten der Arbeit von Journalisten ein. Wenn es die Möglichkeit gibt, zu überprüfen wer wann auf welcher Site gesurft hat, wird das auch genutzt. Das Redaktionsgeheimnis ist damit genauso ausgehöhlt wie der Schutz von Informanten.
  • Klar gibt es ein Copyright auf das Geschriebene. Aber: Gibt es tatsächlich ein Copyright auf die eigentliche News? Darf niemand erwähnen, dass X vorgefallen ist?

Und weil Politikerinnen und Politiker ohnehin recht wenig Ahnung vom Internet haben, werden sie dem Wunsch der Verleger wohl nur allzu gerne nachkommen. Der VÖZ beweist damit allerdings eines: seine weltfremde Sicht auf neue Medien. So funktioniert das Web nun einmal nicht und man schadet sich so nur selbst.

Aber vielleicht steckt etwas Größeres dahinter. Ein „Evil Masterplan“ der ganz besonderen Art. Eine jederzeit anzapfbare Vorratsdatenspeicherung wäre ein grandioses Marketing-Instrument. Wenn bekannt ist, wer oft auf der Website XY kostenlos Nachrichten liest, dem könnte man doch auch ein ähnliches (zu bezahlendes) Medium schmackhaft machen …

Update: Könnte! Man beachte den Konjunktiv. Diese Möglichkeit traue ich niemandem wirklich zu. Aber ausgeschlossen ist sie nicht, zumal es Lücken geben kann, auf die dann andere mit weniger redlichen Absichten zugreifen können.

Die Zeit ist auf unserer Seite …

… des Atlantiks.

Seattler Post Intelligencer und Rocky Mountain News waren erst der Anfang. Das Time Magazin berichtet von zehn weiteren überregionalen US-Zeitungen, die heuer entweder aufhören zu existieren oder komplett online gehen. Selbst die große und ehrwürdige New York Times hat ernste finanzielle Probleme. Und zuvor (im Dezember) meldete die Tribune Company (Chicago Tribune, Los Angeles Times und andere) Konkurs an. Die Leserschwund- und Anzeigenkrise trifft alle Medien in den USA. Auch die ganz Großen und Print, wie es scheint, am stärksten.

Wer sich die Meldungen über das Zeitungssterben in den USA ansieht, dem mag das Grauen kommen. Auch wenn sich Verleger und Journalistenverbände redlich bemühen, das Ganze als US-Phänomen herunter zu spielen, kann man ihnen eines versichern: Das Web hat noch alles verändert und macht auch nicht vor Zeitungen halt.

Ich habe unlängst gleich zweimal (einmal mit einem Kollegen in der Firma und bei einem Vortrag im Presseclub) gewettet, dass es in fünf Jahren keine gedruckten Zeitungen mehr gibt. Und wenn, werden diese unerschwinglich sein.

Warum? Dieses dreiminütige Video sollte alles klar machen. Die Tatsachen sind dies- wie jenseits des Atlantiks die gleichen, das Tempo der Umwälzungen allerdings nicht.

Was bedeutet das für Medienhäuser?

Die Zeit ist eben auf unserer Seite des Atlantiks. Noch gibt es Zeit, das Ruder herum zu reißen. Noch ist das Zeitfenster offen, sich um digitale Distribution auf E-Readern zu kümmern und Web-Auftritte zeitgemäßer als bisher zu gestalten. Auch wenn sich die Medienmacher des Landes des Problems bewusst sind, frage ich mich, wo die Investitionen bleiben. Bei keiner großen österreichischen Tageszeitung sehe ich echte Neuerungen bei deren Online-Auftritten.

  • Wo bleiben APIs, wie sie der Guardian oder die New York Times hat?
  • Warum versteht in Österreich scheinbar niemand RSS? Würde es sonst nicht schon längst (werbefinanzierte) Fulltext-Feeds geben?
  • Warum hat keine Nachrichten-Website in Österreich (ATV ausgenommen) social-networking-ähnliche Features?
  • Wo bleiben mehr interaktive Flash-Grafiken? Warum nützt niemand das volle Potenzial des Webs?
  • Warum findet bei keinem großen Medienhaus des Landes eigene Webentwicklung statt? Warum wird alles ausgelagert? Sind nicht Software-Entwickler die Drucktürme der digitalen Zeit und werden immer mehr zum Kernkapital einer Content-Company? Ist die Online-Verbreitung von Inhalten nicht Kernkompetenz eines jeden Medienhauses? Wenn die Großen ihre Druckereien nicht auslagern, warum tun sie es bei den Entwicklern?
  • Es bedarf auch einer Auseinandersetzung mit neuen Quellen und alternativem Urheberschutz. Gerade die Tageszeitung von heute ist morgen schon alt und könnte ohne Probleme fürs Geschäftsmodell (mit Ausnahme der Fremdinhalte von Fotografen und Agenturen) unter Creative Commons (CC) veröffentlicht werden. Mehr Interesse für CC würde auch neue andere Möglichkeiten fürs Marketing bedeuten.
  • Die Mentalität des Wegsperrens von Inhalten muss gebrochen werden: Wer seine Videos nur auf der eigenen Seite veröffentlicht, darf nicht erwarten, dass diese dort gefunden werden, wo sich echte Nutzer aufhalten – in diesem Falle auf YouTube.

Gibt es einen Grund, dass es das alles nicht gibt? Ja. Geld.
Weil Verlage nicht adäquat in Relaunches investieren, liegen Potenziale brach. Und alte Geschäftsmodelle (Zeitungsinserate sind immer noch um Welten mehr Wert als Online-Werbung) werden so lange wie möglich am Leben erhalten. Man darf hoffen, dass es irgendwann nicht zu spät ist.

Was bedeutet das für Journalisten?

Newsroom der Washington Post, (cc) Burnt Pixel

Die Krise sollten viele zum Anlass nehmen, sich mit den neuen Medienrealitäten auseinander zu setzen. Wer stehen bleibt und jetzt nicht erste Gehversuche im Web 2.0 unternimmt, hat eine Garantie: die, dass man unsicheren Zeiten entgegen steuert.

  • Es brauch neuer Zugänge zu Geschichten. Wenn der Leser tags zuvor bereits die Nachrichten erfahren hat, braucht er keine Wiederkäuer am Morgen. Der Journalist von morgen heute muss vielmehr lernen, dem Leser die Welt besser zu erklären. Analytisches Denken und hintergründiges Wissen sind wichtiger denn je.
  • Neue Recherche-Techniken: Die Gefahr des Medien-Einheitsbreis wird mit jedem gekürzten Arbeitsplatz größer. Verleger sind aus Kostengründen bestrebt, Agentur-Inhalte zu bevorzugen. Ergebnis: Zeitungen werden einander immer ähnlicher, sie werden austauschbarer.
    Wer jedoch in der Lage ist, besser die immer größere Informationsflut zu filtern, hat gewonnen. Ebenfalls vorne ist derjenige, der abseits von APA & Co. recherchiert und sich Social Media zu eigen macht. Welcher Journalist ist schon gewohnt, Blogs als Ausgangsmaterial herzunehmen? Welcher heimische Journalist sucht Fotos auf Flickr oder bedient die Online-Redation mit Videos von YouTube? Wer stellt schon Fragen an seine Leser via Twitter? Wenige. Sehr wenige!
    Daten stehen zu fast jedem Gebiet zuhauf per Mausklick zur Verfügung. Statistik-Kenntnisse und das Wissen um Visualisierung wird immer wichtiger. Auch das sind Fähigkeiten, die sich viele der schreibenden Zunft erst aneignen müssen. Viele scheitern sogar an einer nur leicht komplexeren Google-Suche.
  • Erste Gehversuche im Web 2.0 sind dringend geboten!
    Es ist einfach, sich zurück zu lehnen, seine Geschichten wie bisher zu machen und sich auf den „automatischen“ Vertrieb zu verlassen. Kaum ein Journalist hat Ahnung davon, wie man selbst Reichweite gewinnt. Sich ins gemachte Nest zu setzen, wird nicht mehr reichen. Auch die Frage wie man mit Hilfe von Social Networks oder Microblogging einen „Hebel“ für seine Inhalte generieren kann, sollte interessieren.
  • Umgang mit Feedback lernen: Wer heute in einer Redaktion schreibt, bekommt kaum Feedback. Im Web ist das anders – der Umgang mit „digtalen Leserbriefen“ in Form von Kommentaren will jedoch gelernt sein.
    Journalismus wird es immer geben – auch im Web. Aber schlechter Journalismus wird gerade durch das Web viel schneller offen gelegt.

Da draußen gibt es neue Medienrealitäten. Bis dato wurden alleine in den USA heuer 6237 Journalisten gekündigt. Wer das nicht macht, endet vielleicht in auf einer Karte wie dieser, nur dass die dann europäische Kündigungen enthält.

papercuts

Was bedeutet das für den Leser?

Der Medienkonsument ist Hauptprofiteur, weil ihm mehr Information und Unterhaltung geboten wird denn je. Durch Social Media erhält er zudem auch ein weit größeres Meinungsspektrum … auch wenn es immer weniger Zeitungen gibt.

Allerdings muss er auch kritischer werden und häufiger hinterfragen. Je prekärer die Lage des einen oder anderen Medienhauses ist, umso eher die Wahrscheinlichkeit, dass die eine oder andere Information keine Information ist. Die Vermischung von bezahlten und redaktionellen Inhalten wird zunehmend schlimmer. Auch bei Qualitätsmedien. Die Krise verschlimmert das noch.

Und für werbetreibende Unternehmen?

Zunehmend wird es für sie schwieriger, zu ihren Zielgruppen durchzukommen. Die ganz Jungen lassen sich über Tageszeitungen sowieso nicht mehr und zunehmend schwieriger auch durch TV und Radio erreichen. Das Problem dabei: Selbst Werbeagenturen sind ihrer Zeit hinterher und wissen oft nicht, mit neuen Gegebenheiten umzugehen.

Die Hilflosigkeit macht nicht vor „Brouhahas“ in Social Networks oder mit Medien wie Blogs oder Podcasts halt. Da hilft auch nur eines: dazu lernen. Die Krise nutzen, um Qualifikationen aufzubauen.

Vor diesem Hintergrund profitiert auch Social Media, wie eMarketer unlängst erhob. Vielleicht gibt es ja einmal ein echtes Geschäftsmodell für Blogs & Co. Das würde den Wandel in der Medienbranche allerdings nur noch weiter beschleunigen …

102366

Steuergeld & Amtsmissbrauch?

Die Steuergeld-Verprasserei hatte heute einen neuen Höhepunkt. Der Kärntner Woche lag eine 48-seitige Hochglanzbroschüre mitsamt DVD bei. Verleger ist das Amt der Kärntner Landesregierung, Inhalt sind Inserate des BZÖ-Regierungsteams – verpackt im Corporate Design und mit den Inseraten-Sujets/Bildern des BZÖ.

Wer jetzt meint, so etwas gäbe es nur in Kärnten, der hat diesmal wohl Recht. Nirgends anders wird ein Land von einer Partei derart vereinnahmt. Nirgends sonst wird so schamlos in den Sack des Steuerzahlers gegriffen, wie hierzulande.

(c) Kleine Zeitung DIGITAL

Alleine diese Selbstdarstellung kostet laut Recherchen der Kleinen Zeitung dem Steuerzahler zwischen 200.000 und 250.000 Euro. Das hätt’s unter Jörgl net geb’n, könnte man jetzt meinen.

Eine Anzeige wegen Amtsmissbrauch gegen die orangen Regierungsmitglieder bzw. deren Wahlkampfchef Stefan Petzner soll bereits im Laufen sein. Grund genug, mir heute noch einmal anzuschauen, wie da im Land Wahlkampf gefährt wird. Hier meine jüngste Deep-Zoom-Visualisierung der Inserate in der Kleinen Zeitung vom 1.1. bis 25.2. – nur überregionaler Teil, alles über einer Größe von 2/45mm. Silverlight-Plugin nötig.


Get Microsoft Silverlight

Auffällig:

  • Brutale Dominanz:
    Das BZÖ-Regierungsteam schaltet unglaublich viele Anzeigen. Man möchte sogar fast meinen, der Mengenrabatt der Regierung wäre höher als die Summe, die das BZÖ selbst setzt. Nur eine Vermutung.
  • Wer bezahlt’s?
    In allen Fällen der Steuerzahler. Allerdings: Wenn das Geld aus der Parteikassa kommt, muss allerdings damit gehaushaltet werden. Kommt das Geld vom Steuerzahler, ist es im Überfluss und ohne jede Kontrolle (der letzte Landesrechnungsabschluss datiert aus dem Jahre 2005) vorhanden.
  • Demokratiepolitisch bedenklich ist nicht nur, dass eine Partei derart viel auf Landeskosten schaltet. Bedenklich auch, dass man so viele Inserate annimmt.
  • Nicht nur das BZÖ spielt mit allen möglichen Tricks. Man vergrößere einfach die Inserate der SPÖ auf beiden Seiten. Der rote Trick: Vor Regierungsinseraten wird ein kleines Mini-Inserat (2/45mm) – diesmal mit SPÖ-Logo – geschalten. Und die Schwarzen sind auch nicht viel besser.
    In Summe macht das wenig Hoffnung, dass irgendwann mit solchen Diebstählen am Steuerzahler aufgehört wird. Der Proporz macht’s möglich – alle sind am Ruder, niemand ist verantwortlich.

[Update] Für alle die – warum auch immer – das Silverlight-Image nicht sehen können, gibt es auf Flickr ein hochauflösendes JPG

[Update] Josef Martinz meinte via Facebook, dass zwei gelbe Inserate von ihm von der Regierungsseite hin zur Parteikasse gehen sollten.
Warum habe ich sie auf der Seite des Steuerzahlers gezählt? Weil darin keinerlei Nennung der ÖVP stattfand. Zufällig oder absichtlich – wie auch immer. Möge jeder sich sein Bild selbst machen.
01-03-martinz

“This is your recession, we are just blogging it”

Dieses Zitat stammt aus der aktuellen Folge des Planet Money Podcasts von NPR (US National Public Radio). Es ist dies ein Podcast, der jedem ans Herz zu legen ist, der sich für Wirtschaft und die momentane konjunkturelle Schieflage interessiert.

Warum? Weil er die Lage so zeigt, wie sie ist. Ein Beispiel aus eben dieser Folge vom 9. Dezember 2008 ist die Zahl Null. Die Nachrichtenagentur Associated Press berichtete gestern:

The Treasury Department said it sold $30 billion in four-week bills at an interest rate of zero percent. That meant investors were willing to earn no return at all on their money as long as they could park it in the safety of Treasury securities.

Auf gut Deutsch: Wer in den USA Geld hat, gibt es lieber umsonst an den Staat als es irgendwo anders anzulegen. Nicht einmal ein Sparbuch ist im Moment bei den Anlegern eine Alternative.

Trotz der kostenlosen Geldleihe ist das attraktiv – die Auktion hätte viermal so viel – also 120 Milliarden Dollar – zu 0% Zinsen einbringen können. Verzweiflung und Misstrauen sind so gewaltig, dass sogar negative Zinsen in Kauf genommen werden. Das Wallstreet Journal berichtete ebenfalls gestern über dreimonatige US-Staatsanleihen, dass Finanzanleger in den USA sogar dafür bezahlen würden, nur um ihr Geld in einen sicheren Hafen zu wissen:

At some point during the afternoon, the yield on the three-month Treasury bill dipped below 0%.

Was sagt uns das?
Trotz Bankenrettungs-Paketen auch in den USA ist das Misstrauen der Institutionen untereinander noch immer da. Auch in Europa ist noch längst das Ärgste nicht überstanden. Im Gegenteil: Es steht uns erst bevor. Man muss kein Kristallkugel-Schauer sein, um zu erahnen: Die zuletzt immer wieder und immer weiter nach unten revidierten Aussichten werden weiter nach unten gehen.

Was etwa wenn osteuropäische Währungen en gros abgewertet werden? Kommen dann noch alle in Rubel oder Kuna vergebenen Kredite zurück?

Medienkritik:
Wir stecken noch nicht einmal drei Monate lang in einer Krise und schon schreiben Medien Erfolgsgeschichten von Firmen, die der Krise trotzen (tut das überhaupt wer?) oder von Krisengewinnlern.

Warum tun die das? Auch um Vertrauen zu wecken: Es werde schon nicht so schlimm und wir wären da ebenso schnell durch, wie wir reingekommen sind. Schließlich lebt jedes Medienhaus (auch der kleine Blogger muss irgendwo Geld verdienen) von der restlichen Wirtschaft. Die Zeitungen leben von Anzeigen, das Fernsehen von Spots und der kleine Blogger von Aufträgen aus der Wirtschaft (Selbständige) oder von der Zuversicht seines Arbeitgebers in die Lage.

Krisenhygiene:
Was nötig ist, wäre ordentliche Krisenhygiene. Anstatt krampfhaft Erfolgsgeschichten zu suchen, will ich in Presse, Standard, Spiegel, Krone, Kleine Zeitung und ähnlichen einmal lesen, wie schlimm und dramatisch die Lage hierzulande wirklich ist.

Das soll muss allen Angst machen. Eine Krise, die weggeschrieben wird, existiert dennoch. Eine Krise, die aus den Köpfen der Leute verbannt wird, wird nie dafür sorgen, dass Lehren daraus gezogen werden.

Erst wenn wir voll verstanden haben, was hier abgeht, können solche Bankenkrisen (auch wenn Bankiers das als schlechte PR sehen: Die Krise ist eine Bankenkrise – sie wurde von ihnen verursacht und verstärkt) in Zukunft vermieden werden.