WTF is "Azure"?
Zwei Dinge gleich vorweg: Ich weiß nicht hundertprozentig, wovon ich da spreche 🙂 Falls was nicht ganz so stimmt, bitte in den Kommentaren anmerken. Aber irgendwie finde ich die Sache gut: Microsoft Azure, das „Windows für die Cloud“, das vor Kurzem auf der PDC vorgestellt wurde.
Die erste Keynote (Video hier) selbst war übrigens enttäuschend. Erst langsam lichten sich die Schleier des Unverständnisses. Erst langsam kommt in Gesprächen durch, was das eigentlich ist und was hier abgeht. Nicht nur bei mir, sondern bei vielen.
Die Grundidee:
Im Prinzip ist es vergleichbar mit Amazon Web Services (AWS) oder zum Teil auch mit Google’s AppEngine. Wer keine eigene Infrastruktur für Cloud-Services aufbauen will, kauft diese Leistungen zu fixen Preisen ein. Bezahlt wird nach tatsächlichem Verbrauch. Ein Start-up hat am Anfang mit wenigen Nutzern geringe Kosten, je mehr Leute einen Dienst nutzen, umso teurer wird es. Aber dann gibt es ohnehin (hoffentlich) schon einen Revenue-Stream.
Auch, um (kurzfristige) Spitzenlasten abzufangen, eignen sich solche Dienste: Man muss die Kapazität der eigenen Server nicht an den Spitzen ausrichten. Das System wächst laufend mit und schrumpft bei Bedarf auch wieder.
Was geboten wird:
Azure (kulturlose Amis sprechen das „Aescha“ aus) ist so etwas wie AWS on steroids. Es soll weit mehr bieten, als die Konkurrenten. Die reinen Server (dazu später mehr) sollen mit den Entwicklungswerkzeugen, Frameworks oder Live-Services besser zusammen arbeiten. Auch über die Grenzen von Anbietern hinweg.
So ist es natürlich möglich, Storage bei Amazon zu kaufen und die Logik auf Azure zu hosten. Auch MySQL- oder gar Linux-Server sind in den VMs machbar und erlaubt. Die Schnittstellen sollen sehr offen und gut dokumentiert sein. (All der Konjunktiv hat einen Sinn, weil ich mehr oder weniger nur nacherzählen kann, was mir die Leute – nicht nur von MS – so sagen.)
Um eine VM aufzublasen, braucht man lediglich „ein XML-File“ in den „Red Dog“ (so der Codename des technischen Unterbaus) schieben und fertig, wird mir erklärt. Cool, finde ich. Damit werden die Anforderungen („x Server mit x Speicher, x Instanzen von SQL-Server“) definiert. Ein Entwickler muss bald nicht nur programmieren können, sondern auch in zunehmenden Maße lernen, Ressourcen möglichst genau abzuschätzen.
Die Server:
Ich finde ja Superlative immer super. Derzeit arbeitet man gerade daran, Datacenter auf der ganzen Welt auszurollen. Gerade ist man in Chicago am Werken, wo 200 Container á 2500 Server (etwa von HP oder Sun) zusammengeschraubt werden. Das sind wirklich Container, die jeweils nur über drei Anschlüsse verfügen: Kühlung, Strom, Netzwerk.
In Betrieb sind schon mehrere solcher Datacenter – etwa in San Antonio, Tx, wo auch der Testbetrieb läuft. Um einen Container in Betrieb zu nehmen, braucht man etwa vier Tage.
Die Roadmap:
Auf der PDC werden Keys ausgeteilt, wo jeder Entwickler „damit herumspielen kann“. Jeder, der will, kann einmal vier, sechs, acht VMs aufblasen und rechnen lassen. Das ist wohl nötig, damit die Entwickler lernen, wie man plötzlich nicht mit einem oder ein paar Servern umgeht, sondern im Bedarfsfall mit hunderten oder zehntausenden.
Ich habe unlängste eine Geschichte in der Business Week über Googles 101-Projekt gelesen, wo es genau um Probleme des verteilten Rechnens geht. Sehr stark skalierende Systeme zu bauen, ist scheinbar doch nicht so einfach, wie ich mir das vorstelle. Mit Martin hab ich schon ein paar Mal darüber diskutiert.
Und daher auch gleich ein Aufruf: Ich habe ja keine wirkliche Anwendung für die Cloud. Wenn wer spielen will, einfach melden und ich schau mir das mit an.
Etwa ein Jahr lang will man im Testbetrieb selbst Erfahrungen sammeln, ehe das System wirklich „produktiv“ geht. Also Herbst 2009.
Was wird Azure kosten?
Keine Ahnung! Bei Microsoft lässt man sich diesbezüglich nicht in die Karten schauen. Das könnte auch den Grund haben, dass man es schlichtweg selbst nicht weiß. Man rechne alle möglichen Varianten, heißt es da. Denkbar wären etwa Revenue-Sharing im Anzeigen-Bereich mit den Start-ups oder nach Energieverbrauch (im Sinne Green-IT: Wer Anwendungen effizient programmiert, spart dabei).
Einziges offizielles Statement derzeit: „We’ll be competitive“.
Die Preise werden sich allerdings an dem richten müssen, was es am Markt gibt – und hier setzt Amazon den Standard. Viel darüber wird man nicht anbieten können.
Warum ist Azure wichtig?
Für Microsoft bedeutet es einen brutalen Paradigmen-Wechsel. Bisher größter Kostenpunkt war das Personal. Software in Packerln – oder noch besser: online – zu vertreiben, birgt kaum Fixkosten in sich. Mit Hunderttausenden Servern in dutzenden Datacentern auf der ganzen Welt kommen große Kapitalkosten dazu.
Außerdem ist – und das ist man sich durchaus bewusst – das tradierte Geschäftsmodell am Wegbrechen. Die Reise geht hin zu Ads und Subscription Services. Und damit muss sich die ganze Firma ändern. Wie einfach oder schwer das dem Riesen Microsoft fallen wird, muss man erst beweisen.
Und die Partner?
Was kaum jemand weiß: Microsoft verdient von jedem Euro oder Dollar mehr als 90 Cent über seine Partnerlandschaft. Die verkaufen die Packerln, sorgen für möglichst volle Lizenzierung bei den Firmenkunden, entwickeln auf Basis bestehender Anwendungen, machen Anpassungen, Beratungen oder Service.
Für etwas Unruhe sorgte etwa die Ansage Microsofts, selbt als Applikations-Hoster aufzutreten. Seither kann man bei den Microsoft Online Services auch Exchange- oder Sharepoint-Server im großen Stile mieten. Mit Azure wird sich das noch weitergehen. Irgendwann könnte die gesamte Firmen-IT von Konzernen und KMUs auf Azure laufen. Aber, so heißt es hier, sei das nur für wenige Partner eine Bedrohung, aber für viele eine Chance. Abwarten und Tee trinken …
Die Zukunft:
Ray Ozzie meinte doch heute glatt, dass Azure die Grundlage für die nächsten 50 Jahre von Microsoft bietet. Gut: Man kann schon übertreiben, aber so dick aufmalen hätte er nicht müssen.
Fix ist, dass Microsoft sein „Windows Azure“ auch für eigene Dienste nutzen will. Hotmail, die Live-Websuche und alles andere auch, soll bald auf die neuen Server und das Drumherum migrieren. Schon jetzt läuft etwa der Synchronisationsdienst Mesh.com drauf.
Was denkt ihr drüber?